Die Brücke Schleswig-Holstein sieht in der Netzwerkarbeit einen vielversprechenden Ansatz, Sozialraumorientierung, Teilhabe und Selbstbefähigung zu fördern und Auswege aus der „Fürsorge-Falle“ Sozialer Arbeit zu entwickeln. Hierzu hat sie eine Forschungskooperation mit der Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit und der Fachhochschule St. Pölten, Department Soziales in Österreich aufgebaut. Darüber wurde schon berichtet.
Dieses Forschungsprojekt konnte trotz den sich aus der Corona-Krise bedingten Herausforderungen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Am 2. Juni 2021 hatte die Brücke SH alle Projektbeteiligten sowie Vertreter*innen der Eingliederungshilfe in Kiel und Heide und der Koordinierungsstelle für Soziales (Kosoz) zur Ergebnispräsentation eingeladen. Anders als ursprünglich geplant, war ein persönliches Zusammentreffen der Teilnehmenden nicht möglich und die Veranstaltung hat online stattgefunden. Ziel der Forschungskooperation war, mit Hilfe von Netzwerkkarten und Interviews Erkenntnisse über Veränderungen in den persönlichen Netzwerken von Nutzern und Nutzerinnen unserer Angebote innerhalb eines Betreuungszeitraumes von ca. 12 Monaten zu gewinnen.
Im September 2020 wurden die ersten Zwischenergebnisse im Rahmen einer Videokonferenz vorgestellt und in den nachfolgenden Monaten sind weitere Interviews geführt worden. So hat im November 2020 eine Gruppendiskussion mit Nutzenden der Brücke SH zu Netzwerkinterventionen, Hilfeprozessen und Beziehungsgestaltung zu professionell Helfenden stattgefunden. Gerade aus der Perspektive eines ehemaligen Nutzers war es beeindruckend zu hören, welche Angebote ihm nachhaltig geholfen haben, seinen Alltag jetzt wieder selbstständig bewältigen zu können. Hier hat sich gezeigt, dass sich der Einsatz einer Netzwerkkarte als Instrument zur Förderung von Selbsthilfe-Prozessen außerdem als Reflexionsmöglichkeit bewährt, eine Re-Sozialisierung von professionellen Hilfeangeboten ganz im Sinne einer Sozialraumorientierung nach Wolfgang Hinte in den Blick zu nehmen: Das Ende der Hilfe wird von Anfang an mitgedacht, Betroffene werden darin unterstützt, nicht-professionelle Angebote im Sozialraum zu nutzen und tragfähige Beziehungen aufzubauen, die als Ressourcen unterstützend zur Verfügung stehen können und professionelle Hilfe überflüssig machen.
Nach einer intensiven Auswertungsphase in den Wintermonaten konnten die Studierenden der Fachhochschule in St. Pölten auf der Abschlusspräsentation im Juni 2021 mit ihren endgültigen Ergebnissen aufwarten. In insgesamt zehn Präsentationen mit viel Gelegenheit zu Diskussionen sind nachfolgende Themen analysiert worden:
- Strukturelle Merkmale der Netzwerke: z.B: Netzwerkgröße, Durchschnittsalter
- Qualitätsmerkmale in den Netzwerken: z.B. Homogenität, Heterogenität,
- Bedeutung von nahen Beziehungen (strong ties) und unverbindlicheren Beziehungen (weak ties)
- Reziprozität: Die Bedeutung von Geben und Nehmen im Kontext professioneller Hilfe
- Beziehungsgestaltung zu Freundschaften
- Bedeutung von kollegialen Beziehungen
- Internet als Sozialraum
- Die Bedeutung von Haustieren
- Netzwerkinterventionen und Netzwerkveränderungen
- Beziehungen zur psychosozialen Assistenz (ehem. Bezugsbetreuung)
In der Abschlussrunde waren sich alle einig: Wir nehmen viele wichtige Erkenntnisse mit in die Praxis und stellen ganz im Sinne von Frank Früchtel fest: Das Soziale und ebenso Inklusion ist nicht etwas Gegebenes, sondern entsteht und zerfällt wieder, es handelt sich um einen fortwährenden Prozess und unser Auftrag als Professionelle ist das Schaffen von Ermöglichungsräumen.
Der Einsatz der digitalen Netzwerkkarte easyNWK von Peter Pantuĉek hat sich als ausgesprochen gewinnbringend und sinnvoll für unsere Arbeit mit unseren Nutzern und Nutzerinnen erwiesen und die Brücke SH wird dieses Instrument flächendeckend einsetzen und mit ihr die Netzwerkarbeit kontinuierlich weiterentwickeln.
Projektpartner:
Fachhochschule St. Pölten (A), Department Soziales Wissenschaftliche Projektleitung: Karin Goger M.A., Patricia Renner M.A.
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit: Prof. Joseph Richter-Mackenstein
Brücke SH: Projektleitung/Projektkooperation: Kirsten Modrow M.A.
Kontakt:k.modrow@bruecke-sh.de. Bei Fragen oder dem Wunsch nach weiteren Informationen schicken Sie gerne eine E-mail.
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