Wer will schon einen Job, in dem man rund um die Uhr arbeitet? Für Solvejg Borgmann fühlt sich das genau richtig an. Sie hat eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht und vor drei Jahren im Wohnhaus der Brücke SH in Hasselberg angefangen. Sie arbeitet 24/7 – allerdings in erster Linie an sich selbst: „Mein Job zeigt mir, wer ich bin und was ich bewirken kann. Ich reflektiere mich jeden Tag selbst, höre auch nie damit auf und lerne mich immer noch Stück für Stück besser kennen. Das klingt vielleicht anstrengend, ist aber echt eine Bereicherung: Ich werde zum Beispiel dadurch viel klarer in meinen Vorstellungen und Meinungen.“
In ihrer Familie haben alle soziale Berufe und auch Solvejg wusste schon immer, dass sie mit Menschen arbeiten möchte. In Hasselberg unterstützt die 24-jährige die Bewohner*innen bei der Bewältigung Ihres Alltags, bei der Einhaltung Ihrer Drogenabstinenz und bei der Entwicklung einer Lebensplanung. Der Job erfüllt sie, zumal sie auch viel zurückbekommt: „Letztes Jahr zum Beispiel ist meine Oma gestorben. Das hat im Wohnhaus die Runde gemacht. Dann zu erleben, wie rücksichtsvoll einem alle begegnen, das war richtig schön. Da haben mir die Bewohner*innen echt Halt gegeben.“
Natürlich gibt es auch Schattenseiten, Arbeitstage zum Abhaken und richtig harte Situationen: „Ein Bewohner hat vergangenes Jahr abgebrochen. Er war auf Heimfahrt und hat dort konsumiert. Nach so langer Zeit, die er bei uns war, mussten wir dann sein Zimmer räumen, sein Hab und Gut in Säcke packen. Sowas ist heftig. Was wir dann im Team machen, ist reden. Viel reden. Und man lernt damit umzugehen, weil man sich immer wieder vor Augen führt, dass man nur dann helfen kann, wenn die Menschen sich auch helfen lassen wollen.“
Was Solvejg das Berufsleben manchmal wirklich schwer macht, ist der gesellschaftliche Blick auf Suchterkrankte. „Viele haben gleich Trash-TV wie Hartes Deutschland vor Augen und glauben, dass das alles Junkies sind, die nur auf Kosten des Staates leben wollen“, sagt die junge Erzieherin. „Diese Abwertung macht mich echt traurig, denn auch wenn man es – genau wie bei anderen psychischen Problemen – nicht gleich sieht: diese Menschen leiden, sie sind tatsächlich krank.“
Wenn die Gesellschaft, wenn wir alle das endlich begreifen würden, wäre vieles einfacher, meint Solvejg. Für die Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten und für all diejenigen, die bei ihnen Unterstützung suchen.