Maxi schafft es aus der vollen Erwerbsminderung in den ersten Vollzeitjob
Zum Ende eines Jahres blicken viele von uns zurück – und auch nach vorn. Setzen sich Ziele und haben Erwartungen für 2025. Und für einige wenige beginnt im neuen Jahr sogar ein ganz neuer Lebensabschnitt. Maxi aus Schwarzenbek startet im Januar in seinen allerersten Vollzeitjob. Mit 28 Jahren. Auch hier aber zunächst der Blick zurück:
Maxi wächst in Wentorf auf. Bei seiner Mutter, die Eltern trennen sich unmittelbar vor seiner Einschulung, kurz darauf bricht der Kontakt zum Vater ab. Obwohl er als Klassenbester gilt, beginnen schon in der Grundschule die Probleme: Immer wieder gerät er mit Lehrkräften aneinander, es folgen mehrere Klassenwechsel. Er habe sich unterfordert gefühlt, sagt Maxi heute. „Außerdem war ich sehr anpassungsfähig, was mir nicht genützt, sondern geschadet hat.“ Der Berg an Fehlstunden wächst, die Noten rutschen in den Keller. Schließlich schlägt er sich den Mittleren Schulabschluss aus dem Kopf und geht mit einem Hauptschulabschluss ab.
Pläne platzen, Frustration macht sich breit: „Ich wurde antriebslos und lethargisch, war nur noch zuhause.“ In dieser Zeit kriselt es auch zwischen Maxi und seiner Mutter. Zusammen finden sie für ihn zwar noch eine Stelle in einem Altenheim, dort absolviert er einen Bundesfreiwilligendienst, doch die anschließende Ausbildung scheitert. Als die Konflikte zunehmen, trifft die Familie gemeinsam mit dem Jugend- und dem Gesundheitsamt eine wegweisende Entscheidung: Ohne Unterstützung geht es nicht mehr.
Er ist 19 Jahre alt, als er teilstationär in einer Wohngruppe aufgenommen wird, bei einem Verein für psychisch Erkrankte im Kreis Herzogtum Lauenburg. Mit einer depressiven Symptomatik und einer Anpassungsstörung. Doch auch hier findet Maxi keinen eigenen Antrieb. „Ich dachte nur: Ich mag einfach gar nichts mehr. Ich habe ja ein Dach über dem Kopf und keine Geldsorgen, das reicht doch.“ Was folgt sind Auseinandersetzungen mit seinen Betreuern. Und dann die Kündigung.
2020 kommt er schließlich durch die Vermittlung eines Mitarbeiters beim Gesundheitsamt zur Brücke Schleswig-Holstein. „Ich habe sofort gemerkt: Hier ist es anders. Hier passiert etwas. Hier bin ich richtig.“ Er fühlt sich verstanden und ernst genommen. „Da ist plötzlich dieses Gefühl von Menschen umgeben zu sein, die für mich da sind, die mir wirklich helfen wollen.“ Maxi will etwas verändern, doch auch hier fehlt zunächst der „richtige Tritt“. Aber der kommt.
Und trifft. 2023 landet er nach einem Betreuungswechsel bei Anne, sie arbeitet bei den Ambulanten Hilfen der Brücke SH in Geesthacht. Zusammen packen die beiden in erster Linie Maxis Tagesablauf an, es geht darum Gründe zu finden, morgens aufzustehen und seinem Alltag Struktur zu geben. „Als ich ihn kennengelernt habe, hatte er keine sozialen Kontakte. Er saß ständig in seinem Zimmer, zockend, hat allen anderen die Schuld gegeben, dass es ihm so schlecht geht.“ Anne wusste: Maxi braucht jemanden, der ihn nicht mit Samthandschuhen anfasst. „Ich habe ihm gesagt, was ich in ihm sehe, dass ich an ihn glaube. Aber auch, dass ich nicht für ihn, sondern nur mit ihm arbeiten kann. Zusammen kriegen wir das hin!“
Zwar gibt es immer wieder Stolpersteine, wie den Tod seiner Oma oder Zeiten, in denen der Kontakt zu seiner Mutter komplett abreißt. Doch es geht endlich bergauf. Langsam, aber stetig bewegt sich etwas. Er bewegt sich. 2016, vor seiner Behandlung, wog Maxi 132 Kilo. Heute sind es 77.
Im Sommer desselben Jahres erreicht er ein weiteres, für ihn sehr großes Ziel: Er zieht in seine erste eigene Wohnung. Jetzt wächst auch der Wunsch nach einer sinnhaften Tätigkeit, einem Job. Maxi fängt zunächst auf 520 Euro Basis im Lager eines Autoteilehandels an. Nach und nach übernimmt er nicht nur mehr Stunden, sondern traut sich auch immer mehr zu. „Mit Fremden zu telefonieren zum Beispiel wäre früher undenkbar für mich gewesen.“
Trotzdem ist der Weg aus der vollen Erwerbsminderung für ihn ein steiniger. Abläufe, Strukturen, mögliche Förderungen und Eingliederungshilfen müssen geklärt werden. Immer wieder gibt es Hürden wie Maxis fehlenden Führerschein und die Frage nach der Kostenübernahme. Doch er gibt nicht auf, nimmt Fahrstunden und unterschreibt seinen ersten richtigen Arbeitsvertrag, ab Januar 2025 arbeitet er Vollzeit im besagten Autoteile-Unternehmen.
„Ich würde sagen, dass ich stabil bin. Ich fühl mich gut, bin zuhause.“ Und genau da hängt Maxi nicht mehr einfach nur rum, ist an den Wochenenden viel unterwegs, trifft Freunde und hat Ziele, Lebensziele. Vielleicht möchte er einen Hund, auf jeden Fall irgendwann eine eigene Familie und ein Haus. „Es ist beeindruckend wie schnell er sich so weit entwickelt hat“, findet Anne. Sie betreut ihn nach wie vor ambulant. „Ich bin so stolz, auf das was wir zusammen geschafft haben. Maxis Geschichte zeigt, dass es weitergeht. Wir sind keine Endstation, wir sind die Brücke SH.“